Limericks

geschrieben von Paul de Vooght (30.04.2004)


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(00) Ausgangslage, (01) Fünfzeiler, (02) Keine Strophen, (03) Reim, (04) Metrisches Schema, (05) Namen, (06) Pointe, (07) Bosheit, (08) Porno, (09) Keine ernste Lyrik, (10) Nix Limericks

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(00) Ausgangslage

Ich bin weder begeisterter Limerist (Limerick-Dichter), noch bin ich gar Limerickologe (Limerick-Sachverständiger). Was mir aber beim Schmökern in unserer Rubrik Limericks aufgefallen ist: Weitaus die meisten(!) Poeme sind keine echten Limericks. Das Spektrum reicht von Gedichten, bei denen nur ein oder die andere Silbe überzählig ist (was sich leicht korrigieren ließe), bis zu solchen, die weder formal noch inhaltlich die geringste Ähnlichkeit mit einem Limerick haben (der Einsender hat wohl die falsche Rubrik angeklickt).

Es gibt im Internet zig spezielle Limerick-Seiten (meist auf Englisch); einige von ihnen haben extra Einführungen in die Kunst des Limerick-Schreibens.

Es steht jedem frei, die verbindlichen Vorgaben als Formelkram abzutun und zu behaupten, das, was er schreibe, sei schon deshalb ein Limerick, weil er es dafür hält. Ich meine: Wer eine feststehende Form wie den Limerick verwendet, sollte sie kennen. Wer sich nicht damit befassen will, der sollte satt Limericks lieber beliebige heitere Verse dichten.

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(01) Fünfzeiler

Der Limerick ist ein Fünfzeiler. Sechs- und mehrzeilige Limericks gibt es nicht. Nach fünf Zeilen ist Schluss.

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(02) Keine Strophen

Der Limerick ist kein strophisches Gedicht (eines, das sich über mehrere Strophen erstreckt). Nach fünf Zeilen ist Schluss.

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(03) Reim

Der Limerick ist ein gereimtes Gedicht. Alles ist erlaubt: männliche, weibliche, dreisilbige, identische, rührende, gespaltene, Schüttelreime usw.

Je kurioser, desto besser. Aber reimen muss sich's schon. Es gibt keine reimlosen Limericks.

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(04) Metrisches Schema

tataTAM tataTAM tataTAM
tataTAM tataTAM tataTAM
tataTAM tataTAM
tataTAM tataTAM
tataTAM tataTAM tataTAM

Zeile 1+2+5 haben je drei Anapäste (tataTAM), Vers 3+4 je zwei. Die Zahl der akzentuierten Silben (TAM) pro Zeile steht fest: je drei in den Langzeilen, je zwei in den Kurzzeilen. Gegen diese Regel wird häufig verstoßen: meist haben die Verse zu viele Silben.

Einzelne Anapäste können durch Jamben (taTAM) ersetzt werden. Die klassische englische Regel erlaubt das nur beim ersten Versfuß jeder Zeile. Auch wenn man sich hier mehr Freiheit nimmt und gelegentlich den zweiten (oder dritten) Anapäst durch einen Jambus ersetzt, müssen die Anapäste überwiegen.

Rein jambische Limericks sind unmöglich.

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So weit zum Formalen. Nun zum Inhaltlichen.

(05) Namen

Am Ende der ersten Zeile sind Ortsnamen häufig (There was a young lady of Ortsname). Es können auch Personennamen stehen (There was a young lady named Vorname). Ebenso möglich sind Berufsbezeichnungen oder sonstige Angaben zum Subjekt des Limericks. Je ausgefallener ein Ortsname, desto besser (Harvestehude, Tehuantepec usw.). Der Ortsname darf aber nicht wegen des Reims erfunden werden, er muss existieren. Zur Ausrüstung des Limeristen gehört ein Weltatlas.

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(06) Pointe

Limerick - das ist Blödeln auf intellektuellem Niveau. Die fünfte Zeile bringt den Clou. Wie der Witz, so ist auch der Limerick auf die Pointe hin konstruiert. Was witzig ist, darüber lässt sich streiten: Der eine hält für originell, worüber der andere müde lächelt. Aber ohne einen zumindest bescheidenen Knallfrosch am Schluss ist ein Gedicht kein Limerick, mag es auch formal korrekt sein.

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(07) Bosheit

Limerick - das ist oft boshaftes Sticheln gegen Einzelne oder Gruppen. Der Limerick kann als scharfe Klinge benützt werden. Es gibt sogar Fehden, bei denen sich die Gegner abwechselnd mit Limericks beharken. Als unfein gilt aber, die gemeinte Person bei ihrem Klarnamen zu nennen. Der Betreffende und die Eingeweihten wissen schon, wer gemeint ist.

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(08) Porno

Limerick - das ist oft lustvolle Befassung mit sexuellen Praktiken und Perversionen. "Warning! You are leaving the decent section. Do you want to continue? Yes - No." In der Lyrikecke verhindert ein Schmutzfilter den Gebrauch gewisser Wörter. Manche Limerickologen behaupten, es gebe nur zwei Arten von Limericks: gute und anständige.

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(09) Keine ernste Lyrik

Aus dem Gesagten wird klar: Für den Kernbereich der Lyrik - sagen wir: die Beschreibung eines Sonnenuntergangs oder eine (aufrichtig gemeinte) Liebeserklärung - sind Limericks völlig ungeeignet.

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(10) Nix Limericks

Ein beflissener Dichter von Limericks,
der dichtete Limericks immer fix,
doch war ihm die Zahl
der Silben egal.
So wurden die Limericks immer nix.

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