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Alf der Zweite

Angelika Gentgen - 21.06.2003

Nicht nur bei den Tanners hat sich ein Alf vom Melmac eingeschlichen, sondern auch bei uns.
Es ist sein kleiner Bruder...., erzählte er uns jedenfalls...

Im Gegensatz zu dem Tanner-Alf, der ja bekanntlich hellbraunes Fell hat, ist unser Alf schwarz, mit weißen, sporadischen Flecken.

Er wohnt seit 15 Jahren bei uns, und wir haben ihn damals im Tierheim geholt.
Anfangs glaubten wir noch, dass es sich um einen Hund handele.
Wir nannten ihn Benji, und er sagte auch lange Zeit nichts dagegen; er sagte überhaupt lange Zeit nichts, wollte er doch sicher sein - erklärte er uns später - dass wir ihn nicht vor lauter Schreck schnellstens wieder im Tierheim abgeben.

Heute behauptet er, er sei ALF der Zweite und sein großer Bruder sei der BERÜHMTE Alf der Erste.

Häufig kommunizieren die beiden miteinander - per Telefon natürlich - auf meine Kosten natürlich - oder seit neuestem, die etwas preiswertere Variante, per Internet.

Seine intellektuellen Sprüche stehen denen von ALF dem Ersten in keinster Weise nach.
Kürzlich - wir saßen gerade um den Esszimmertisch versammelt - sagte er: "Da ich ja unproduktiv bin, sorgt es mich, dass ich bei unserer derzeitigen Haushaltslage nicht länger finanzierbar bin!"
Wir schauten uns alle konsterniert an. Meine Frau sagte: "Alf, wir lieben Dich!" Die Kinder: "Du bleibst doch bei uns! Das ist doch wohl klar!" Und ich schaute über meinen Brillenrand: "Alf, wie kannst Du so etwas denken!"

Wenn ich ehrlich bin, hatte ich schon darüber nachgedacht. Aber, wo soll er denn hin? Zurück ins Tierheim? Wer weiß welche Familie ihn dann aufnimmt! Womöglich eine, mit so rotzlöffeligen Gören, die ihn bis in Mark verletzen.
Unser Alf ist nämlich sehr sensibel.

Insgeheim bin ich eifersüchtig auf ihn.
Ich habe meine Frau in Verdacht, dass sie ihn mehr liebt als mich. Sie würde das natürlich NIE zugeben! Und ich werde nur geduldet, weil ich ja der Ernährer bin.

Er erzählte uns, dass er sich damals mit seinem Raumschiff vom Melmac auf die Suche machte, seinen großen Bruder wiederzufinden. Dieser hatte vorher gesagt: "Ich werde heute meinen eingeschränkten Horizont erweitern und begebe mich in andere Galaxien. Die derzeitige Elongation wird mich dazu befähigen, das von mir angesteuerte Ziel "Erde" zu erreichen. Ich lebe in der Hoffnung, dass die dortigen Bewohner wesentlich eloquenter sind, als meine hiesigen Artgenossen. Die Verifikation zu dieser Expedition erteilte mir bereits unser gesellschaftspolitisches Oberhaupt Alfa Zentaurus. Also..., machs gut lieber Bruder."

Nachdem er noch nach 35 Jahren nicht zurück gekehrt war, holte sich unser Alf der Zweite ebenfalls die Erlaubnis ein, das seinige Sonnensystem zu verlassen und sich auf die Suche nach dem großen geliebten Bruder zu begeben.

Auch er musste auf der Erde notlanden - sein Raumschiff war zerstört - und er konnte nicht mehr zurück zum Melmac.
Er wurde von irgendwelchen Leuten aufgegriffen, die ihn - wie herzlos - im Tierheim ablieferten, wo wir ihn wenig später entdeckten und mitnahmen.

Uns fiel auf, dass unser "Hund" erstaunlich viel Fernsehen guckte, bis er darin eines Tages die erste Folge von "Alf" sah. Er lief ganz aufgeregt hin und her, und wir dachten: "Der Alf hat aber viel Ähnlichkeit mit unserem Benji."
Von nun an saß unser "Hund" immer ganz erwartungsfroh vor dem Bildschirm, wenn die Nächste Folge von "Alf" gesendet wurde.
Einmal erwischten wir ihn dabei, dass er die Fernsehzeitung studierte; zu diesem Zeitpunkt hatte er sich immer noch nicht zu erkennen gegeben; und wir wunderten uns nur, und meine Frau sagte: "Einen komischen Hund haben wir uns da eingehandelt; guckt Fernsehen, studiert die Fernsehzeitung! Muss wohl ein ziemlich intelligenter Hund sein!"

Irgendwann - so ca. nach 3 Jahren - fing er an zu sprechen.
Unser Schock war natürlich groß.
Obwohl..., meine Frau hatte sich schnell daran gewöhnt. Sie war froh, dass sie sich tagsüber mit jemandem - auf geistig hohem Niveau - ohne diesen Hausfrauenklatsch -unterhalten konnte.
Ich tat mich am schwersten damit, einen Außerirdischen einquartiert zu wissen.
Manchmal denke ich: "Er ist eine Plage!" Und dann sage ich mir: "Schon in der Bibel steht, dass die Menschen eine Heuschreckenplage aushalten mussten oder die Sintflut. Also müssen wir eben Benji aushalten."
Er durchwühlt jeden Mülleimer im Haus, den wir nicht hermetisch - mit Sicherheitsschloss - verschließen, auf der Suche nach Katzen, die er ja so gerne mag (frißt), obwohl er dort noch NIE eine gefunden hat.
Er will sich immer in unserer Nähe aufhalten. Wir umzäunten extra unser Grundstück blickdicht, damit er sich auch einmal (alleine) draußen aufhalten kann, dass wir wenigstens ab und zu eine Ruhepause vor ihm haben. Aber, sobald er herausgelassen wird und wir die Tür schließen (verschließen), dreht er sich auf dem Absatz um und sitzt mit eine Penetranz vor der Glastüre, guckt hindurch und winselt solange, bis wir ihn barmherzig wieder hereinlassen.

Besuchern, die fragen: "Habt Ihr nicht einen Hund? Wo ist der denn?" antworten wir: "Der ist im Hundezimmer. Er ist ziemlich anstrengend, und wir wollen nicht, dass er dauernd zu Euch hinkommt um gestreichelt zu werden."
Die meisten geben sich mit dieser Argumentation zufrieden, weil sie sowieso keine Hunde mögen und er ihnen nur lästig wäre. Aber manche sagen auch. "Das macht doch nichts! Laßt ihn ruhig heraus. Ich habe keine Angst vor Hunden."
Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als ihm die Tür zu öffnen, und wir hoffen, dass er sich wie ein Hund benimmt und nicht zu sehr auffällt (und nicht redet).

Fest steht, dass der Wortschatz der Kinder durch ihn enorm ist und die Lehrer uns schon manches Mal gefragt haben: "Wo hat er (sie) nur diese grammatikalische Ausdrucksweise her?!" Und wir zucken dann mit der Schulter und antworten immer: "Sie lesen viel, und bei uns wird halt viel geredet."

Er ist 204 Jahre alt und er sagt: "Bei Euch ist es doch am Schönsten. Auf Melmac war ich einer von vielen; aber hier bei Euch bin ich doch etwas Besonderes!"
Obwohl... das Heimweh befällt ihn trotzdem ab und zu.
Einmal kratzten wir unsere ganzen Ersparnisse zusammen; deren haben wir nicht viele, da das Leben mit Alf II recht kostspielig ist; und schickten ihn nach Amerika zu den Tanners. Die ganze Reise wurde zu einer Katastrophe. Er musste im Flugzeug im Frachtraum in der Hundebox reisen; das passte ihm natürlich garnicht. Beim Entladen hat er sich in seiner Box fürchterlich beschwert: Es sei viel zu eng, viel zu dunkel, viel zu stickig gewesen und noch nicht einmal ein Menu habe er kredenzt bekommen und auch kein Erfrischungsset, nach so einem langen Flug.
Das Personal war völlig verstört, man suchte nach der "Stimme", fand jedoch nichts und glaubte schließlich, irgendein Scherzbold hätte per Fernbedienung ein Tonband mit diesem Text abspielen lassen.
Auf dem Rückflug wären einige wirklich süße Katzen dirket in seiner unmittelbaren Nähe abgestellt gewesen; es wäre ihm das Wasser im Munde zusammen gelaufen, er hätte sich in dem Frachtraum während der ganzen Reise nicht signifikant unterhalten können, und es wäre noch nicht einmal ein Fernseher in der Box gewesen, so dass er sich die Zeit mit Filmen hätte vertreiben können.
Und dann die Impfungen und die Quarantänezeit danach...

All das war für unseren Alf schrecklich, und er will NIE wieder nach Amerika, und wir waren glücklich - vor allem meine Frau - dass er nach 2 Monaten wieder einigermaßen unbeschadet bei uns angekommen ist.

Da er ja das Haus, bzw. das Grundstück nicht verlassen darf, bedient er sich der modernen Technik. Er schaut - wie schon gesagt - viel fern; wobei er sich immer zu irgendwelchen Kommentaren hinreißen lässt.
Harald Schmidt und Elke Heidenreich sieht, oder besser hört, er besonders gerne. Die benutzen ein so schön bissiges Volkabular, wie er sagt.
Den Film "Das kleine A r s c hloch" guckte er sich mindestens schon 20 Mal auf Video an. Er meint: "Der ist mir intellektuell ebenbürtig!"

Einmal, als wir wieder mal einen Disput hatten, versuchte er die Adresse des kleinen A r s c hloches ausfindig zu machen, weil er dorthin auswandern wollte, weil diese Familie ihn sicherlich verstehen würde, im Gegensatz zu seiner jetzigen Adoptivfamilie; und er war sehr enttäuscht, als ihm der Produzent, den er nach langen, teuren Telefonaten endlich am Hörer hatte, erklärte, dass das kleine A r s c hloch keine real existierende Person sei, sondern dem Erfindungsgeist eines phantasievollen Menschen entsprungen wäre.
Alf war so enttäuscht und verunsichert, dass er lange Zeit selbst die Tagesschau anzweifelte und glaubte, sie wäre dem Erfindungsgeist eines phantasievollen Menschen entsprungen; womit er ja vielleicht auch ein bißchen Recht hat...

Seitdem er das Internet als Medium entdeckte, korrespondiert er mit Außerirdischen aus aller Welt, d.h. mit Außerirdischen, die auf der Erde leben.
Es gibt derer einige, erzählte er uns. Sie würden sich allerdings gegenüber den Erdlingen nicht zu erkennen geben, das sei viel zu gefährlich; außerdem sei der Medienrummel nicht zu ertragen. Fast alle exorbitanten Menschen seien Außerirdische: Erich von Däniken, Marcel Reich-Ranicki, Alfred Biolek, Helmut Kohl, Harry Potter, Grenouilles, der durch das Buch "Das Parfum" bekannt wurde, der Junge aus der "Blechtrommel", der vorgab nicht mehr wachsen zu wollen... Er hätte Alf erklärt, dass alle Bewohner seines Planeten nur 1,20m groß und mindestens 245 Jahre alt würden, und es hätte ihn auch hierhin auf die Erde verschlagen, er könne nicht mehr zurück, da sein Raumschiff zerstört sei. Die endlose Langeweile bei seiner Familie wäre so schrecklich gewesen, dass er sich irgendwann entschlossen hätte Filmstar zu werden; da würde er wohl am wenigsten auffallen, denn die seien ja alle irgendwie... verrückt, zumindestens außergewöhnlich.
Alf informierte uns aus erster Hand darüber, dass alle der prominenten Alien so denken.
Es gäbe auch Tiere, die außergalaktischen Ursprungs wären. Auf dem Rückflug aus Amerika sei eine der süßen Katzen, die in seiner unmittelbaren Nähe standen so eine gewesen. Sie hätte ihm ein Gespräch aufoktroyieren wollen, aber sie wäre so blasiert und blond gewesen, dass er ihr schnellstens die kalte Schulter gezeigt hätte; außerdem könne man sich mit Katzen nicht unterhalten, man könne sie höchstens fressen, selbst wenn sie Außerirdische wären...

Vor einigen Jahren teilte er uns mit, nachdem er mal wieder eine Folge von "Alf" im Fernseher verfolgt hatte: "Mein Bruder legte sich jetzt einen Künstlernamen zu: Gordon Chamway. Ich werde ihm in nichts nachstehen. Mein Pseudonym ist ab sofort: Milky Way."
Wir sagten: "Das heißt Milchstraße. Willst Du wirklich Milchstraße genannt werden?" "Ja, erstens sind die Muggel sowieso nicht fähig zu assoziieren, dass Milky Way Milchstraße heißt, und zweitens werde ich in Kürze einen Schokoriegel kreieren, der ebenfalls den von mir erwählten Künstlernamen trägt!"

Und tatsächlich setze er sich hin, brütete tagelang über Fachliteratur, blockierte unsere Küche, und mixte in ihr stundenlang alchimistische Gebräue. Wir warteten nur darauf, dass jeden Moment unsere Haus in die Luft fliegen würde, hatten vorsorglich schon einmal die Feuerwehr informiert, dass eventuell in Kürze ein Einsatz auf sie zukäme.
Aber, nichts von alledem.

Ständig mussten wir seine Kreationen kosten, bis er - ungefähr nach einem Monat - mit einem Schokoriegel ankam, innen locker, luftig weiße Milchmasse, außen umhüllt von süßer Vollmilchschokolade. Ein Genuss!

Und wir einhellig der Meinung waren: "Das ist es!"
Er rief mit stolzgeschwellter Brust - auf unsere Kosten natürlich - alle möglichen Schokoladenhersteller an, bis er schließlich einen fand, der Interesse an seinem Milkyway zeigte.
Selbstverständlich konnte er sich nicht als Urheber ausgeben. Meine Frau übernahm diesen Part.
Die Verhandlungen wurden geführt, als ich gerade eine beruflich sehr stressige Phase hatte, also ohne mich. Natürlich packten meine Frau und Alf die Sache nicht richtig an. Heraus kam nur ein Betrag von 2000,-- DM für die Lizenz von Milkyway und keine Gewinnbeteiligung oder dergleichen.

Wenn man nicht alles selber in die Hand nimmt!





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 25.07.2004
Kategorie: Kurzgeschichten

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