Meiner Treu!

Ach, leider war ich immer schon sehr scheu.
Bei Kindern mag das noch ganz passend scheinen,
doch problematisch wird's für einen Mann,
weil "Nein" er keiner Frau dann sagen kann
aus Schüchternheit - und dabei ist er treu
in tiefster Brust doch immer nur der Einen ...


Es läßt sich in der Tat nur schwer vereinen,
sensibel heutzutag' zu sein und scheu,
ja schüchtern, und zugleich von Herzen treu.
Denn wenn dann die Versuchungen erscheinen
und merken, daß er schlecht sich weigern kann
und wehren, wird's fatal für einen Mann.


Nun sagt auch noch das Vorurteil, ein Mann
sinn', tracht' und strebe stets nur nach dem Einen.
Hier irrt die Frau natürlich; doch wer kann
ihr das begreiflich machen?! Nie wird scheu
und schüchtern, wie er ist, der Mann ihr scheinen.
Erst recht nicht, so wie ich, von Herzen treu!


Gewiß bin ich schon ganz besonders treu.
Das mag der Frauenwelt an einem Mann
sehr ungewohnt und drum unglaublich scheinen.
Mein Herz gehört stets nur der jeweils Einen,
die grade es besitzt und die ich scheu
verehre so verliebt und oft ich kann.


Daß also ich Sextinen schreibe, kann
passieren, dennoch bin und bleib' ich treu -
wie Lauren einst Petrarca -, liebe scheu
auf immer mein Sonettchen; denn ein Mann
hängt - wie Petrarca - ewig an der Einen -
selbst wenn ihm 'mal Sextinen sexy scheinen.


Mag kurz ich dem Sonett auch untreu scheinen:
der Schein trügt, wie man dran ersehen kann.
Zwei Lieben lassen sich sehr wohl vereinen:
die ein' ist neu, der andern ist man treu.
Nur: leider hat noch nie die Frau den Mann
verstanden: daß er schüchtern ist und scheu.


Mag weiberscheu und schüchtern ich auch scheinen:
ich bin nun 'mal ein Mann, das heißt: ich kann
nicht anders sein als treu der jeweils Einen.