Auf-/zuklappen

Der Platzhirsch

Petra Friedel - April 2013

Cervinus liebte Nüsse! Ob klein, groß, rund, zierlich, jung, alt: Alle erschienen sie ihm appetitlich. Ihm waren es die liebsten Früchte, die es zu knacken galt, um an den leckeren Inhalt heranzukommen.
Die jungen Nüsschen ließen sich leicht mit dem Geweih entblättern, die hatten noch nicht jene Schale, die ihn besonders reizte. Aber er nahm sie trotzdem mit, Hirsch musste ja satt werden! Außerdem verlangten sie nicht das anstrengende Schütteln, sie fielen ihm fast von allein vor die Hufe, er brauchte nur ein wenig am Stamm des Lebens zu rütteln. Das war keine Hürde, für ihn als ersten Hirsch am Platze! Bei den gereiften war es schon schwieriger, man konnte sie unter Umständen nach dem Schütteln hart aufkommen lassen und mit etwas Glück platzten sie. Wenn das nicht funktionierte und sich solch eine doofe Nuss noch immer weigerte, ihren süßen Inhalt herzugeben, dann half letztendlich das darauf Herumtrampeln, wie es sich für einen stolzen Hirsch gehört! Das hatte noch jedes Mal geklappt, er kannte ja schließlich alle Arten des Trampelns und war darauf sehr stolz.
Und wie er so durch den Wald lief, da sah er sie! Das war die Eine, die er noch nie geknackt hatte! Sie hatte samtig-braune Haut, war ausgereift und von zarter, eleganter Schale. Und trotz dieser Zartheit war der Inhalt vielversprechend rund, einfach lecker! Schon tropfte ihm der Schaum vom Maul: sie fiel ihm direkt vor die Hufe! Hei, das würde ein Abendmahl werden!

Der Abend endete alles andere als satt. Die dumme Nuss war einfach nicht aufzukriegen, nicht einmal das Hütchen war sie gewillt abzunehmen, obwohl er es artig am Geweih aufgehängt hätte! Er konnte streicheln, röhren, trampeln soviel er wollte, es gab kein Herankommen an den verlockenden Inhalt.
Entnervt gab er schließlich auf und beobachtete, wie ein grunzender Eber vorbeikam und das verheißungsvolle Ding einfach vernaschte.

Verstehe einer das Leben!





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 01.05.2013
Kategorie: Märchen & Fabeln

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