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Von Menschen und Statuen - (History)

Gabyi - 2003

Menschen gefallen mir nicht so besonders. Als Statuen mag ich sie schon eher, aber selbst die sind mir oft schon zu langweilig. Steine an sich können mein Interesse da schon eher erwecken. In Form von bombastischen Gebäuden zum Beispiel, deren Architekturen man es oft schon von Weitem ansehen kann, dass mindestens ein Mensch beim Bau verunglückt sein muss. Weil die Sicherheitsmaßnahmen missachtet wurden oder weil Habgier im Spiel war oder ähnliches mehr... Dieser Gedanke hat für mich etwas Beruhigendes an sich. Doch das war nicht immer so.

Es gab auch durchaus eine Zeit, da das sogenannnte "Gute im Menschen" für mich noch von wesentlicher Bedeutung war. Ich setzte es damals einfach als Selbstverständlichkeit voraus. Wenn es auch nicht allzu häufig zu erkennen war, so hielt ich es doch für existent und nur für verschüttet von den Unbilden der Welt. Man musste sich nur Mühe geben, es zu suchen, dann fand man es schon irgendwie.

Heute hingegen denke ich etwas anders darüber. Vorwiegend sehe ich es jetzt eher so, dass es besser wäre, wenn gleich alle Menschen leibhaftig mitsamt allem Guten in ihnen unter einem riesigen Schutt- und Ascheberg verschwinden könnten. Dass dem nicht so ist, bedaure ich inständig. So bleibt mir momentan nur, wie schon eingangs erwähnt, das kurze Glück des Augenblicks, wenn ich bestimmte Gebäude betrachte.

Aber nicht, dass man jetzt von mir denkt, ich sei ein Menschenfeind. Dem ist keineswegs so, im Gegenteil, früher liebte ich Menschen sogar sehr. Wenngleich mir heute Statuen, wie schon gesagt, lieber sind. Obwohl mir auch diese allmählich etwas langweilig für meinen Geschmack werden....Doch ich wiederhole mich...

Darum stehen die Statuen bei mir auch schon bald auf der Abschussliste. Denn auch sie sind keineswegs gut. Ganz im Gegenteil. Nur um ein Beispiel zu benennen, der Große Kurfürst von Brandenburg. Das ist der, der als Reiterstandbild vor dem Schloss Charlottenburg in Berlin steht. Oder der als Statue im 2. Weltkrieg von Ostpreußen nach Hamburg verschifft wurde, zum Einschmelzen. Dessen Bronzefigur schließlich vor dem Schmelzen gerettet wurde von einer kleinen Stadt in Schleswig-Holstein, wo der Kurfürst noch während des Polackenkrieges wild gemordet und gebranntschatzt hatte. Die Stadt setzte ihm dafür ein Denkmal und jetzt steht er friedlich am Meeresufer und starrt aufs Meer hinaus.

Man könnte die Statuen also zum Beispiel alle einschmelzen, um das wertvolle Metall zurück zu gewinnen. So wie das damals, ich sagte es bereits, am Kriegsende praktiziert wurde. Als Hitler das Metall für die Rüstung ausging. Doch wenn alle Menschen verschüttet sind unter einem riesigen Schuttberg, wer soll das dann noch tun? Ich meine das mit dem Einschmelzen? Ich weiß es nicht und auch hier weiß es keiner. Niemand kann es mir hier sagen. Meine Fragen bleiben unbeantwortet, wie immer in meinem Leben.

Oder wollen sie es mir vielleicht nur nicht mitteilen, um mich zu schonen? Auch meine Zinnfiguren, die jetzt über meine Fensterbank vor den vergitterten Fenstern marschieren, wissen es nicht. Sie reden auch nicht mehr so viel wie früher mit mir....Ob sie vielleicht schon wissen, dass sie bald eingeschmolzen werden sollen? Von mir jedenfalls haben sie es nicht erfahren, denn ich kann gar nicht mehr richtig sprechen....die Tabletten machen mich so müde, so müde und viel zu schwach zum Artikulieren....mömm....mömm....mömm....





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 11.04.2003
Kategorie: Kurzgeschichten

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