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#aufschrei 2 - (History)

Gabyi - 2016

#aufschrei 2

Als ich in den 70er Jahren in Westberlin in ein Studentenwohnheim zog, sah ich mich konfrontiert mit einer Überzahl arabischer sowie süd- und osteuropäischer Mitbewohner. Iraner, Iraker, Türken, Griechen, Rumänen, Tunesiern, um nur einige Nationalitäten zu nennen.
Sie waren teilweise anzüglich und zudringlich und ich vermied den Kontakt. so gut es ging.
Zwei Freundinnen von mir, die dort wohnten, wurden vergewaltigt von Männern mit M.-hintergrund.
Ich nicht. Ich war hardcore, weil gewappnet durch meine Lebenserfahrung.
Trotzdem fühlte ich mich belästigt. Ahmed, den Tunesier, schmiss ich vom Bett hinunter. Man muss wissen, dass im Studentenheim das Bett auch der Platz der Sitzgelegenheit darstellte.
Uwe, den Rumänen, brachte ich anderweitig zur Strecke. Ich hatte Erfahrung mit Prügeleien, weil ich zwei Brüder hatte. Und so weiter.
Ich stehe nicht auf Machos. Auch nicht auf Tussen und auch nicht auf Gott.
Ich hatte im Laufe der Zeit zahlreiche Angriffspunkte geboten, die ich sämtlich abwehren konnte. Mein Freund wohnte in Westdeutschland und konnte mich nicht beschützen.
Wie durch ein Wunder blieb ich von gewaltsamen Übergriffen verschont. Oder vielleicht auch durch mich.
Als ich zum Beispiel einmal von Eckernförde nach Kiel trampte, um zur Uni zu kommen. Der Landwirt, der mch mitnahm, bog kurz nach Gettorf von der Bundesstraße ab und kam auf einem einsamen Feldweg zum Stehen. Er wollte nichts Gutes von mir, glaube ich. Ich bequatschte ihn ich weiß nicht mehr womit und mit welchen Engelszungen, wieder den Rückweg einzuschlagen. Es hat ihn offensichtlich überzeugt.
Oder das eine Mal, als ich von Lauenburg nach Berlin trampte, um wieder zur Uni zu gehen. Der Lastwagenfahrer stoppte am Theodor-Heuss-Platz und stellte mich vor die Alternativen: entweder du kommst mit mir nach Haus oder ich schmeiße dich hier raus. Ich zog es vor, den weiten Weg in der Nacht zu Fuß zu gehen. Von Spandau durch Charlottenburg bis nach Tiergarten.
Ein anderes Mal fiel mich nach einer Sportveranstaltung jemand von hinten an und umklammerte meine Arme. Ich war wehrlos. Ich schrie und er ließ ab von mir.
Oder ein dunkelhaariger Mann grapschte mir auf der Treppe vom U-Bahnhof Zoologischer Garten an meine Titten. Ich schlug ihm voll ins Gesicht.
Oder die Geschichte mit dem Eisverkäufer, der in Kiel mehrere Softeisautomaten betrieb. An einem arbeitete ich und er wollte mich nach Holtenau locken, um mir einen weiteren Automaten zu zeigen. Ich wollte partout nicht, auch nicht nach mehrfachem Überreden.
Später erfuhr ich von einer Studentin, dass er bei ihr dieselbe Masche angewendet hatte, sie aber mitgegangen sei und dann von ihm missbraucht wurde.
Danach habe er ihr einen 100DM-Schein in den Kittel gesteckt und sie schämte und ekele sich seitdem und könne den Kittel nicht mehr anziehen.
Meine innere Stimme gepaart mit der nötigen Schlagkraft haben mich offensichtlich gerettet. Vor den Schändern.

Aber jetzt bin ich traurig, dass David Bowie gestorben ist, der Androgyne. In der Nacht, bevor sein Tod verkündet wurde, hatte ich mir bei itunes sein neues Album angehört und es für höchst depressiv befunden. Jetzt finde ich es überaus mutig. Und ihn auch.





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 12.01.2016
Kategorie: Kurzgeschichten

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