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Berliner StattPläne - Am Ostbahnhof

Gabyi - 2007

Betty am Bahnhof

Der Weg zu diesem Bahnhof führte sie durch fast leere Straßen (an einem Adventsonntag) - durch karge häuserlose Gebiete und Betty fragte sich, warum immer nur in ihrem Kiez neue Häuser hingestellt würden.
Früher hieß er einmal "Schlesischer Bahnhof", danach Hauptbahnhof zu DDR-Zeiten und vorher auch schon einmal Ostbahnhof. Nun hat er einen seiner alten Namen wieder zurück. Hauptbahnhof ist inzwischen schon anderweitig besetzt.
Ein großzügiges Gebäude, modernisiert, mit etlichen Läden, doch kaum betritt Betty die Bahnhofshalle, umweht sie wieder dieses alte typische DDR-Flair. Fast möchte sie meinen, die zu Mauerzeiten allgegenwärtigen penetranten Phenol haltigen Desinfektionsmittel zu erschnüffeln. Kaum ein Mensch erinnert sich heute noch an diesen Duft, doch aus alten Gemäuern ist er nicht mehr zu eliminieren. Wenn man ganz genau hinriecht. Doch dieses ist ein Neubau, 1998 fertiggestellt und in Ostbahnhof zurück benannt. Doch es ist fast, als sei die Zeit stehen geblieben. Mit der Atmosphäre der alten Mitropa oder VEB/HO - Gaststätten und nicht der Metropole.
Betty Brown betritt eine italienische Cafebar und bestellt ganz traditionsbewusst einen "Capuccino Komplett" in der Hoffnung, genügend Zucker zu bekommen.
Die Sessel sind von bräunlich bis senffarbenen Bezügen ummantelt. Der schwarzgelockte Kellner tänzelt unmotiviert hyperaktiv durch den Raum. Betty muss sich allerdings wundern über den Schaum auf dem Cafe, der zu einem hohen Kosakenzipfel aufgetürmt ist, und an Zucker mangelte es auch.
Sie hat sich in den Ostbahnhof von einem guten Freund fahren lassen, weil sie ein ganz bestimmtes Paar Schuhe in der Größe 38 in einer speziellen Schuhwarenkette sucht. Nur noch hier soll es zu finden sein, das hat sie recherchiert im Internet.
Totenkopfballerinas. Weiß, Lack, für knappe 20 Euro.
Betty ist leicht schuhsüchtig und Totenkopfballerinas sind ihr größtes Glück. Ein silberner Schädel vorne auf der Kappe, das ist es, was sie braucht.
Der Ober umtänzelt leichtfüßig ihren Tisch.
Noch einen Wunsch ?


aus: "Berliner StattPläne"





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 17.12.2007
Kategorie: Kurzgeschichten

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