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In den Arkaden - Berliner StattPläne

Gabyi - 2010

In den Arkaden

Am Landwehrkanal biege ich ab ins Parkhaus. Der Lack ist ab, die Investition bald abgeschrieben. Das Parkhaus kaum besucht, die Wände schmuddelig, die Buttons im Fahrstuhl abgenutzt, Farben abgeblättert. Die Hallen am Borsigturm und ihr Parkhaus, nur ein Jahr jünger, wirken wesentlich adretter und gepflegter auf mich. Das Publikum in den Arkaden, eher prekariär.
Bald zehn Jahre ist es nun her, dass am neuen Potsdamer Platz die Einkaufsmall eröffnet wurde. Vom Berliner Senat wurde das Grundstück für 'nen Appel & Ei an einen Investor verscherbelt. Soll das Gebäude vielleicht demnächst verkauft werden für ein Vielfaches des Kaufpreises ? Bisher war es oft so, dass nach der Frist, wenn alle Steuern abgeschrieben waren, die Gebäude verkauft oder abgerissen wurden nach jahrelangem Leerstand, der durch ein Bewohnvortäuschungsmanagemet bewirtschaftet wurde.
Der Fahrstuhl braucht unendlich lange. Als ich aussteige auf Parkdeck 4, schlägte mir ein ohrenbetäubendes Brunnengetöse entgegen. Soll ich dazu animiert werden, möglichst kurz zu verweile? Das Gelände ist von Teenagern bevölkert. Sie sind ja auch die kaufkräftigste Gruppe der Gesellschaft. Habe ich gehört. Im Privatfernsehen. Wahrscheinlich ist ein Großteil ihrer Kaufkraft auf Pump.
Nach einem Abstecher in eine Teenieboutique und einem Billigschuhladen setze ich mich draußen auf eine Bank. Ziemlich bald setzt sich ein schwarzschnurrbärtiger talibanig aussehender Jüngling neben mich. Ich rücke zur Seite. Vorsichtshalber, man weiß ja nie. Er gestikuliert und sagt etwas, das ich nicht verstehe. Ich schüttele mit dem Kopf und schaue ihn stechend an. Das mache ich immer so, meistens hilft es. Tatsächlich zieht er einige Zeit später Leine. Ich freue mich.
Vorher im Schuhgeschäft wurde ich schon massivst von einer nicht muttersprachigen Familie bedrängt, so dass ich meine Handtasche an meinen Körper pressen musste. Doch auch die Verkäuferin nervte, denn sie erlaubte es mir nicht, zwei Schuhkartons gleichzeitig zu entnehmen. Von den Ballerinas, die mr gefielen, gab es drei Paare mit meiner Größe, alle drei hatten nur einen Schuh. F***, dazu muss ich mir nicht so ein Gedrängel antun. Ich bestelle es mir lieber im Internet.
Man kann sich nicht wirklich entspannen hier, zu kriminell verdächtig, das Publikum.
07.09.10


aus "Berliner StattPläne"





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 24.03.2015
Kategorie: Kurzgeschichten

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