Der Taubenhof meines Opas - (ThierTheater) - History

Der Taubenhof

Mein Opa besaß ein ziemlich großes Grundstück am Meer. Mit Haus und mehreren Speichern, zwei Fußminuten vom Ostseestrand entfernt.
Heute ist der Wert des Anwesens beträchtlich - ein Vielfaches vom damals erzielten Betrag, als meine Mutter es veräußerte zu einem Hungerlohn. Als die Straße noch nicht an die kommunale Kanalisation angeschlossen war. Wir mussten mit einem Plumsklo vorlieb nehmen, da meine Eltern auch in diesem Haus lebten.
Auf dem größeren Hof, der zu diesem Haus gehörte, regierten die Tauben.
Ein wunderschönes Taubenhaus erleichterte ihre uneingeschränkte Herrschaft. Leider fiel es bei der Sturmflut von 1962 vom Dach des Toilettenhäuschens und wurde nicht mehr repariert. Weil mein Opa zu alt war und mein Vater zwei linke Hände besaß, sich zu edel dafür fühlte oder ganz schlicht die Tauben hasste. Für ihn muss der Taubenhof die Anmutung des Hitchcockfilms "Die Vögel" gewesen sein.
Der Taubenschlag diente der Zucht der Tiere, denen dunkelrote Metallringe angelegt wurden. Sie waren der ganze Stolz meines Großvaters und Brieftauben, keine Fleischtauben.
Einmal am Tag war die Fütterung der Vögel angesagt. Dazu füllte mein Opa einen Blechbecher mit getrocknetem Mais, den ich aus dem Getreidesilo geholt hatte und ergoss ihn über die Klöppelsteinpflaster des Hofes. Er klopfte mit der Henkeldose auf eine Fensterbank - und sofort kamen die Vögel im Sturzflug in Scharen zum Fressenfassen angeflattert.
Danach war genügend Füllstoff vorhanden, die Exkremente auf dem Hof zu verteilen. Sehr zum Leidwesen meiner Mutter, der es am nötigen Durchsetzungsvermögen gegenüber ihrem Vater fehlte.
Denn damals achtete man noch das Alter.