Homo Influenzae

Nun war es vorbei.
Vorbei mit den glühenden Nadeln in den Textilfabriken.
Die Korsagen wurden fortan wieder mit der Hand genäht.
Keine noch so große Flutwelle und auch kein Atompilzblitz hatte geschafft, was nun raue Realität war auf allen Kontinenten.
Die Vogelgrippe, gegen die in unermüdlicher internationaler Zusammenarbeit endlich ein Impfstoff gefunden worden war, konnte am Ende in Europa unvermittelt auf einen Adler und dann auf einen Geier überspringen.
Um genau zu sein: in Deutschland hatte es begonnen.
Eine heimtückische Virusmutation trickste sämtliche Immunprozesse gnadenlos aus, nachdem die ehemalige blonde Frau des damaligen Kanzlers beim Wahlkampf ihres Mannes selbst- und ahnungslos mitgeholfen hatte.
Die Erfahrung mit dem Verkauf von Hundekuchenadventskalendern nützte ihr anfangs auch dabei. Sie sollte sich bewähren bei der Umsetzung eines Massenevents, einer Vogelschau mit Adlern. Der Erlös sollte einer karikativen Initiative für arme allein erziehende Akademikerinnen zugute kommen.
Doch daraus wurde nichts.
Zuerst ertrank ein Fischadler nach einem Sturzflug in den Wannsee, nachdem er sich mit den Krallen in ein zu großes Beutestück verfangen hatte. Dann, bei der Obduktion des Kadavers, fand man einen Riesenflusskrebs in den Vogelfüßen, dessen Krustentiergrippevirus sich mit dem Vogelvirus gekreuzt hatte und auf den Pathologen übersprang.
Das war Pech und nicht vorgesehen.
Als nach einer Massenpandemie schon die halbe Welt infiziert war, kreuzte sich zu allem Überfluss der Virus noch mit dem Erbgut eines Geiergrippeerregers.
Es hatte letztendlich dazu geführt, dass die Korsagen, wie schon gesagt, wieder mit der Hand genäht werden mussten.
Von den Händen der wenigen übrig gebliebenen Wesen der Spezies
Homo Influenzae.