Kaiser-Wilhelm-Kanal - Flussnovelle 44

Flussnovelle 44
Der Kaiser-Wilhelm-Kanal

Bis 1945 hieß der Kanal noch Kaiser-Wilhelm-Kanal.
Bis dann nach dem verlorenen 2. Weltkrieg die Aliierten bestimmten, dass Namen öffentlicher Bauwerke und Straßen mit Kriegsbezug zu eliminieren seien. Fortan hieß die Wasserstraße zweckbestimmt Nord-Ostsee-Kanal, denn er verbindet die beiden Meere in vortrefflicher Weise.
In Berlin ist es der Hohenzollernkanal, der umgetauft wurde, aber in bestimmten Abschnitten doch noch so genannt wird. Berlin- Spandauer-Schiffffahrtskanal heißt er jetzt.
Die Wirkung solcher Umprogrammierungen im menschlichen Hirn ist nicht von der Hand zu weisen. Traurigkeit, Stress, Schmach, Wertlosigkeit - unter Anderem.
Eine gute Methode, ein Volk zu demütigen. Vor allem auch die Kinder, auf welche die Demütigung der Eltern ungefiltert einwirkt.
Nach den Entwurzelungen durch die Vertreibungen kommt noch die sprachliche Entfremdung hinzu.
Sehr effizient. Fast schon Folter.
Als unschuldig Nachgeborene betrachte ich dieses aus einer sicheren Distanz. Ich muss mich nicht entschuldigen. Außer vielleicht dafür, mir die falschen Eltern ausgesucht zu haben.
Aber dafür habe ich dann die falsche Religion.

Doch der angerichtete Schaden - wirkt generationenübergreifend.


aus "Flussnovellen"