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Das Geheimnis der Gefion-Kommode (Berliner StattPläne) - History

Gabyi - 2016

Das Geheimnis der Gefionkommode

Bisher kannte ich nur den Gefionbrunnen mit der Gefion-Galionsfigur, die von einem geschlagenen dänischen Kriegsschiff aus dem Krieg Schleswig-Holsteins gegen Dänemark stammt.
Dann rief mich meine Schwägerin – ich nenne sie mal Hellma - voller Panik an. Sie befindet sich im Rosenkrieg-Streit mit meinem kleinen Bruder. Die beiden streiten sich um Möbel, Bilder, Geschirr, Rasenmäher, Herde und dergleichen mehr. Sie erzählte mir, dass sie bei einem Rundgang durch ihr gemeinsames Haus (sie ist mittlerweile ausgezogen), festgestellt hat, dass zwei Bilder meines Urgroßvaters („Der Wilddieb“ (1 und 2) im Wohnnzimmer an der Wand hingen. Und dass auch die Gefionkommode im Raum stand, allesamt Gegenstände, die sich im Besitz eines Cousins von uns befanden und auf die mein Bruder schon immer scharf war. Hellma fragte ihn daher, ob der Cousin Udo (Name geändert) gestorben sei, da er kürzlich auch einen Schlaganfall erlitten hat. Mein Bruder schwieg dazu beharrlich. Hellma kannte das schon von ihm, er redete in letzter Zeit kaum noch mit ihr. Jedoch dieses Mal musste sie argwöhnen, dass nun ein Todesfall vorliegen könnte. Zu unbeirrbar hatte Udo immer seine Erbstücke verteidigt, die er aber nicht wirklich geerbt, sondern sich nur einfach angeeignet hatte. Mein Bruder war zum damaligen Zeitpunkt noch zu jung.
Hellma rief mich daher an, um zu erfahren, ob ich etwas über Udos Tod wüsste. Sie konnte ihn telefonisch micht erteichrn. Weder darüber war ich informiert, noch kannte ich die sogenannte Gefionkommode. Ich konnte mir ein Lachen kaum verkneifen, es mutete mir an wie in einem der Sketche von Loriot. Ich sah den Möbelverkäufer förmlich die Schubladen der Gefionkommode auf- und zuschnellen lassen – und sie klemmten.
Dazu muss ich einige Hintergrunddetails erläutern.
Mein kleiner Bruder hat sämtliche alten Möbel meines Großvaters als sein Eigentum erklärt. Ein Loriotsofa, eine Mahagony-Spiegelkommode, mehrere Mahagony-Kommoden, Mahagony-Stühle sowie weitere alte Möbelstücke. Ferner den Schmuck meiner Mutter, den ich eigentlich von ihr erben sollte.
Außerdem besitzt er fast sämtliche Fotos meines Vaters, auch die Kinderfotos von mir. Mein Vater hatte eine Leica, die war aber nach seinem Tod angeblich unauffindbar. Sämtliche Fotos aus Ostpreußen sind im Besitz meines Bruders, ebenfalls sämtliche Fotos und alte Unterlagen aus der Familie meiner Mutter.
Er besaß sozusagen den Standortvorteil, war also vor Ort im Gegensatz zu mir. Ferner bemächtigte er sich sämtlichen Bargeldvermögens meines lebenden und verstorbenen Vaters, der auch Geld geerbt hatte. Von einer Schwester, die unter Anderem Kindergärtnerin beim „Lebensborn“!! gewesen war. Für mich ließ er nicht einen einzigen Cent übrig. Ihn deswegen zur Verantwortung zu ziehen, wäre mit einem ungünstigen Gewinn/Verlust-Verhältnis verbunden. .
Mein Bruder verhält sich wie ein ostpreußischer Gutsherr. Ähnliches tat er auch mit seiner Ehefrau, die sich deswegen von ihm scheiden lässt.
Er musste darum sein Haus in der Nähe des Nord-Ostsee-Kanals verkaufen, das mit Geld finanziert wurde, das ihm nicht zustand. Das er sich antisozial angeeignet hatte.
Aber zurück zur Gefionkommode, bei der ich einen Sketch im Kopf habe. Der Kommodenverkäufer, welcher der klemmenden Schubladen nicht Herr wird. Wo stand diese Kommode auf der Gefion ? In welcher Kajüte oder gar in einer Kombüse ? Aber wahrscheinlich in der Offiziersmesse, sonst hätte mein Bruder nicht das Interesse daran gehabt. Und was lag wohl in den Schubladen ?
Sicher ist nur, die Kommode stand einst in unserem alten Haus in der Gudewerdtstraße. Dann hat mein Cousin Udo sie abgeholt, bevor ich alt genug war, es zu bemerken.
Die Kommode war eine Erinnerung an die 1849 bei Eckernförde eroberte dänische Fregatte Gefion. Die Kommode hatte offenkundig mein Urgroßvater auf eine mir unbekannte Weise erbeutet. Im Gefecht bei Eckernförde 1849 gelang es den Strandbatterien, die Fregatte zu bezwingen und sie wurde unter preußische Flagge genommen. Aufgrund des preußischen Sieges in der Schlacht bei Eckernförde wurde damals die Siegessäule in Berlin errichtet. So schließen sich die Kreise.

Und heute sprach ich wieder mit Hellma, meiner Schwägerin. Sie erzählte mir, dass ihr Mann, also mein Bruder, ihre Autoversicherung gekündigt hatte, ohne sie darüber zu informieren. Wie ein fundamentalistischer Macho, sie fuhr wochenlang unversichert. Außerdem erhob er Ansprüche auf ihr Cabrio, worauf sie sagte, dann will ich auch die Hälfte deines neuen Audi. Ätsch, sagte er, geht nicht, den habe ich erst gekauft, nachdem du die Scheidung eingereicht hast. Fällt nicht mehr
unter Zugewinn. Und so weiter und so fort…

Aber ich erfuhr auch, dass die Gefionkommode gar keine Kommode ist, sondern ein Schränkchen aus Mahagony. Mit dem geschnitzten Nautik-Emblem eines Schiffsrads, das von Cousin Udo mühevoll restauriert worden war.
Und dann erinnerte ich mich plötzlich ganz dunkel, dass dieses Schränkchen in unserem alten Haus in der Gudewerdtstraße unten im Hausflur auf dem hölzernen Podest vor der Malerwerkstatt stand. Auf eben jenem Podest, wo sich daneben in der Wand eine Katzenklappe befand und auf dem in einem meiner Albträume ein Eichensarg stand. Ich träumte oft und viel von Särgen, Urnen, Leichen und Friedhöfen als Kind.
Aber in diesem Sarg – da lag mein kleiner Bruder.
Danach - in der Wirklichkeit - hat er sich aber noch unser Monopoly-Spiel geklaut, das wir als Kinder gemeinsam von unseren Eltern geschenkt bekamen. Während eines Weihnachtbesuches bei mir ließ er es einfach mitgehen. Und er bemächtigte sich der Wertpapiere, die sein Sohn von Hellmas verstorbenenen Bruder geerbt hatte.
Außerdem nahm er das Aquarell „Das geöffnete Grab“ von Gadso Weiland, einem Jugendstilkünstler, der bei meinem Urgroßvater in die Lehre ging, eigenmächtig an sich. Ich hatte keine Chance. Teilen war kein Thema beim "Gutsherrn", der sich auch gerne als Gutmenschen sieht.

Ich warte auf das Endspiel.

Aus: „Berliner StattPläne“

09.07.2016





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 12.07.2016
Kategorie: Kurzgeschichten

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