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Berliner StattPläne - Lüderitzstraße II / Café Kohlenkeller

Gabyi - 2005

Heute nun wollte ich endlich meinen Chef einladen ins besagte Café, ihr erinnert euch vielleicht noch.
Ins Café Kohlenkeller.

Ich wartete auf eine günstige Gelegenheit. Und ein guter Vorwand fehlte auch noch. Es ist nicht leicht, denn er ist ein vielbeschäftigter Mann mit wenig Zeit. Consulting, ihr wisst schon, Software und so weiter. Er kommt Morgens meist so gegen 9 Uhr in die Firma, da bin ich schon lange da und mit dem Nägel - Lackieren längst fertig.

Heute Morgen habe ich auf dem Weg hierher eine weitere Kneipe in der Straße entdeckt, wo im Fenster ein Schild hängt:
"Samstags - eine Tonne Freibier"

Was verstehen die wohl unter "eine Tonne", grübelte ich, 1000 kg oder ein Fass ? Doch das würde mein Chef ohnehin nicht wollen, er trinkt viel lieber Rotwein, französischen, wenn es geht. Café Kohlenkeller ist passender für ihn, glaube ich.

Gestern hatte er in seinem Terminplan die Ummeldung seiner Firma stehen. Wegen des Umzugs, denn wenn man das versäumt, muss man eine hohes Bußgeld zahlen und macht sich außerdem sogar strafbar. Er wäre dann kriminell und das kann er sich nicht leisten. Vom Gefängnis aus kann man schlecht eine Firma leiten.

Er muss die Ummeldung höchstpersönlich vornehmen. Der Weg vom ehemaligen Bezirk Wedding, wo die Firma jetzt angesiedelt ist, zum Rathaus Mitte ist minutiös in seinem Zeitplan berücksichtigt und eingetragen. Nach der Bezirksreform wurden die Rathäuser zusammengelegt. Er hatte am Vortag eigens beim Rathaus angerufen, um die Termine abzuklären. So etwas macht er lieber selbst, um kein Risiko einzugehen. Öffnungszeiten 16 bis 18 Uh, erfuhr er. Kostenpunkt 20-120 Euro plus 120 Euro für die Dienstwagen, aber dazu muss er wieder zu einem anderen Amt.

Wofür eigentlich das Theater, fragte ich mich, die können doch froh sein, eine neue Steuereinnahmequelle zu haben. Durch die derart verschwendete Zeit inklusive Energie und demzufolge Kreativitätspotential geht ihnen doch sinnlos Geld verloren und so was kommt sicher öfter vor. Eine volkswirtschaftliche Fehlkalkulation, finde ich.

Egal, das Rathaus Mitte befindet sich ganz in der Nähe vom roten Rathaus. Doch gestern Abend kam mein Chef total schlecht gelaunt vom Amtsbesuch wieder in seine Firma zurück - unverrichteter Dinge.
Die Tür war abgeschlossen.
So wie bei Homer Simpson, dachte ich im ersten Moment, aber man glaubt es kaum, die Beamten mussten an diesem Nachmittag ihre Formulare sortieren. Wurde ihm gesagt, nachdem er sich beschwerte.

Ich muss dazu anmerken, dass mein Chef sich schon seit über 3 Jahren keinen einzigen Urlaub mehr genehmigt hat. Keine Zeit für so was, denn die Zahlungsmoral der Kunden lässt zu wünschen übrig und das Finanzamt verlangt trotzdem die Steuern vorab. Da muss einfach bis zum Umfallen gearbeitet werden und abschließen ist nicht drin.

Ich glaube, wir müssen unseren Kneipenbesuch wegen Zeitmangel fürs Erste verschieben.


aus "Berliner StattPläne"





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 21.01.2005
Kategorie: Aktuelles & Zeitgeschehen

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