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Geli brummt

Gabyi - 2014

Angelika wollte so gerne Schlagersängerin werden.
Wie die blonde Gitte aus Dänemark mit ihrer fetten Stimme. Obwohl sie etwas pummelig war, die dänische Gitte. Ihre Stimme fand Geli aber super, auch ihr blondes Haar gefiel ihr gut.
"Ich will 'nen Cowboy als Mann" schmetterte sie täglich im Radio. Auch Geli tat es unentwegt.
Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem ihre Lehrerin - Frau Künnike - zu ihr sagte:
"Geli, du brummst!"
Das war beim Singen von "Bruder Jakob".
"Bruder Jakob, Bruder Jakob, schläfst du noch? Schläfst du noch?
Hörst du nicht die Glocken, hörst du nicht die Glocken?
Ding dang dong, ding dang dong."
Geli brummte also. Diese Schmach, sie lief puterrot an und schämte sich fortan in Grund und Boden.
Sie brachte nie wieder einen Ton über die Lippen. Nie wieder. Niemals mehr.
Es ging nicht, sie konnte es nicht, keine Chance. Nie mehr ein Lied anstimmen, niemals. Nie mehr konnte sie von jetzt ab vorsingen.
Geli, du brummst. Niemals im Schulchor singen. Sie grenzte sich aus, selber.
Aber sie sang im Kirchenchor mit ihrer Freundin Anka die wunderschönen Kirchenlieder, Oh Haupt voll Blut und Wunden, Befiehl du deine Wege, Herr nimm du meine Hände, Herr geh du deiner Wege. Lobet den Herren, den mächtigen König der Ehren. Die Liebe ist langmütig und freundlich. Die Liebe eifert nicht.
Sie bewegte nur die Lippen, kein Ton kam aus ihrem Munde heraus. Der Organist Immo W. sagte nichts. Gar nichts. Niemals.
Die Liebe treibt nicht Mutwillen.
Seine Frau buk in der Adventszeit Notenschlüssel aus Mürbeteig für die Chorkinder, Geli gehörte auch dazu.
Bis heute weiß sie nicht, ob er je etwas gemerkt hat. Dass Geli nicht sang.
Nur so tat als ob. Wie Jakob der Lügner.





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 05.03.2014
Kategorie: Kurzgeschichten

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