Verschlabberte Liebe

Verschlabberte Liebe


Wer ist der Schuldige in diesem Alltagskrimi?
Klar, der Hund! Ach nee, den kann man für seinen Urtrieb nicht zur Verantwortung ziehen...... also ist der Hundehalter schuld. Oder vielleicht doch der Postbote? Kann man einen einzelnen Postboten zur Rechenschaft ziehen, oder muss man die Deutsche Post als Institution anklagen? Ui, gegen die kommt man nicht an. Solche Einrichtungen haben ja wohl eine eigene Rechtsabteilung, einen ganzen Stab von Rechtsverdrehern – dagegen kann eine kleine Liebe nicht anstinken....
Und überhaupt: eigentlich existiert diese Liebe ja nun nicht mehr durch diesen Vorfall, stellt also keine juristische Person dar und kann infolgedessen keine Klage einreichen.
Die Frage bleibt also offen, wer verantwortlich für das Sterben der Liebe – dieser Liebe – ist.
War sie womöglich eh nicht lebensfähig? Schließlich gehören zu einer Liebe immer zwei. Zwei Menschen, die sich gegenseitig möglichst heftig und ehrlich lieben. Wenn diese Intensität zum Beispiel bei IHM nicht stark genug war? Vielleicht hat es nicht gereicht, seinem erklärenden Brief diese Pralinenpackung beigefügt zu haben? Wenn er IHR als Zeichen seiner Entschuldigung für sein Schweigen stattdessen ein Buch oder ein Schmuckstück oder von mir aus einen Kaffeelöffel dazugepackt hätte, wäre das Päckchen, wenn es größer, als die Pralinenpackung gewesen wäre, mit der Paketpost persönlich abgegeben worden. Wäre es kleiner ausgefallen, hätte es ordentlich in den Briefkasten gepasst, wäre nicht aus dem Briefkastenschlitz heraus auf die Straße gefallen, und dort nicht von dem süßsüchtigen Bello zerfetzt worden.
Aber kann ein Liebender wirklich ahnen, dass sein liebevoll gepacktes kleines Päckchen so enden wird?
Muss er mit schmalen Briefkastenschlitzen, ungünstig angebrachten Briefkästen, schludrigen Postbediensteten, süßgeilen schlechtdressierten Hunden und verantwortungslosen Hundehaltern rechnen?
Ja, der Hundehalter...... der ist schuld. Denn da war ja noch der Brief: Auf 100% gehämmertem Bütten mit schönster Schrift und liebevollen Worten. Ein Pfand dieser Liebe die, hätte dieser Brief SIE erreicht, in ihrer ganzen Pracht erblüht wäre.
Doch was geschah mit dem Brief? Hat ihn der Hundehalter schnell an sich genommen, um damit die Schandtat seines Bello zu vertuschen, nachdem die Pralinen bereits so verschlabbert waren, dass nur noch die Verpackung übrigblieb? Was machte der juristisch Verantwortliche mit dem Brief? Las er ihn? Wohl eher nicht, denn sonst hätten die Worte sein Herz erweichen müssen, er wäre sich der Wichtigkeit dieses Briefes bewusst geworden und hätte sicher nicht gezögert, ihn der Angeschriebenen höchstpersönlich mit einer Entschuldigung auszuhändigen. Hätte er so gehandelt, dieser Hundebesitzer, wäre die Liebe zwar lädiert, aber lebensfähig geblieben.
Ja, ich denke, den Hundebesitzer trifft alle Schuld!
Obwohl...... Hätte nicht SIE einfach mal bei IHM nachfragen können, was denn los ist? War ihr Stolz größer, als ihr Vertrauen in seine Liebe?
Wie nun? Meine hypothetischen Überlegungen führen mich in viele Richtungen und ständig offenbaren sich neue Aspekte, was anders gekommen wäre, wenn es anders gekommen wäre.
Mag man es mir verübeln, wenn ich so langsam an der Lebensfähigkeit dieser Liebe zu zweifeln beginne? Haben vielleicht das Schicksal oder Gott oder Allah, oder wie wir IHN oder ES nennen wollen, sowieso bestimmt, dass es diese Liebe nicht geben soll?
Die Kompliziertheit scheint mir das zu beweisen.
Andererseits: Leben war schon immer schwer, und Liebe noch viel mehr. Da ist es doch von vorneherein unsinnig, die Schuldfrage zu stellen – oder?
Ach, sollen die BEIDEN und ihre Liebe oder Nichtliebe doch ohne mich sehen, wie sie klarkommen!



Inge Wrobel © 2008-01-23