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Ein Schriftwechsel

Inge Wrobel - 13.04.2006

Ein Schriftwechsel



A. schreibt:

Liebe B.,
es tut mir leid, aber ich muss nun schweren Herzens diesen Brief schreiben. Der jetzt herrschende Zustand macht mich so fertig, dass ich nicht mehr schlafen kann. Außerdem möchte ich endlich in geordneten Verhältnissen leben.
Kannst Du Dich noch an das Ehemaligen-Treffen unserer Männer vor drei Jahren erinnern? Dort lernten wir zwei uns kennen, und ich fand Dich gleich sehr nett. Wir unterhielten uns auch kurz und sprachen dabei natürlich über unsere Männer. Deinen Mann C. lernte ich auch kennen, und er gefiel mir gleich sehr gut. Beim nächsten Treffen warst Du nicht dabei und es ergab sich, dass ich den ganzen Tag mit C. zusammen war. Wir sprachen und sprachen, verstanden uns immer besser, und verabredeten uns für ein Treffen zu zweit am nächsten Wochenende. Seitdem sind wir ein Liebespaar. Anfangs war es nur die Leidenschaft, die uns verband. Wir fühlten uns beide sexuell unausgefüllt und C. erklärte mir, dass zwischen Euch in der Ehe ein gewisser Überdruss herrsche, die Flamme der Leidenschaft längst erloschen sei. Genau wie bei mir und D.
Um es kurz zu machen, liebe B., komme ich zum Grund meines Schreibens, und das fällt mir sehr schwer. Ich möchte Dich bitten, C. für mich freizugeben. Aus unserer Beziehung ist inzwischen Liebe geworden, und Liebe erfordert doch ein ständiges Zusammenleben. Ich möchte nach zweieinhalb Jahren endlich aus diesen Heimlichkeiten herauskommen. Ich bin es leid, immer nur die Geliebte im Hintergrund zu sein, während Du in der Öffentlichkeit als seine Ehefrau giltst, obwohl doch Eure Ehe nur noch auf dem Papier besteht.
Leider hat C. bisher nicht den Mut gefunden, Dich um die Scheidung zu bitten. Er meint, das könne er Dir jetzt noch nicht zumuten, so lange Euer Jüngster noch im Haus, und auch das Haus noch nicht ganz abbezahlt ist. Ich sehe allerdings keinen Sinn darin, diese Scheinehe noch länger als nötig aufrecht zu erhalten, und deshalb bitte ich Dich heute, Deinen Mann freizugeben und in die Scheidung einzuwilligen.
Bitte sag C. nichts von diesem Brief, bevor er Dich nicht von sich aus auf die Scheidung anspricht. Danke für Dein Verständnis.

Mit freundlichem Gruß
A.



B. schreibt:

Liebe A.,
ich antworte Dir postwendend, um Deine Ungeduld nicht zu lange zu strapazieren. Wenn Du nämlich warten müsstest, bis C. mich um die Scheidung bittet, könnte das bis zum St. Nimmerleins-Tag sein, und das will ich Deinen Nerven nicht zumuten.
Dass zwischen Euch etwas läuft, ist mir schon längst klar – ich kenne doch meinen C.! Du bist absolut der Typ Frau, den er als Geliebte bevorzugt. Ist Dir nicht auch eine gewisse Ähnlichkeit zwischen uns beiden aufgefallen? Warum wohl? Was glaubst Du wohl, was Du ihm in einer Ehe bieten kannst, wenn Eure „Flamme der Leidenschaft“ verloschen ist, was er nicht auch jetzt bei mir hat?! Warum sollte er diesen bequemen Zustand ändern wollen? Seine „Leidenschaft“ für Dich war nicht groß genug, ohne Rücksicht auf Haus und Kinder ein ganz offizielles Leben mit Dir zu beginnen. Nun scheint mir dieser Zug für Dich abgefahren zu sein, denn auch in Eure Zweisamkeit schleicht sich langsam aber sicher Routine ein.
So leid es mir für Dich tun könnte – C. wird sich nicht scheiden lassen. Er hat mich bisher nicht gefragt, und er wird es auch nicht, jedenfalls nicht für Dich! Du kannst ihm die Pistole auf die Brust setzen und eine Entscheidung erzwingen wollen.......sie wird nicht zu Deinem Gunsten ausfallen. Wollen wir wetten? Eine Geliebte zu wechseln, ist für einen Mann keine besondere Anstrengung – die Ehefrau zu wechseln, schon. Weißt Du denn nicht, dass Männer immer den bequemen Weg gehen, wenn es möglich ist?
In diesem Sinne, liebe A., triff Deine Entscheidung – meinen Segen hast Du!

Alles Gute
B.




Inge Wrobel © 2006-04-13





Über das Gedicht

Veröffentlicht: 09.01.2009
Kategorie: Beziehung

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